Ich bin ein Idiot. Ein Vollidiot sogar. Übers Wochenende habe ich mein Hab und Gut in ganz Deutschland verteilt. Aber von vorne.
Am Freitag hatte ich einen Auftritt in Gießen, habe also in Köln meine Sachen zusammengepackt, meine Klamotten in eine Reisetasche, die Unterlagen, Laptop, etc. in meinen kleinen Rucksack. Und los.
Der Auftritt in Gießen mit meinem Soloprogramm ließ viel erwarten, denn in jedem Monatsmagazin und überall in der regionalen Presse war eine Veranstaltungsankündigung gepostet. Und außer meinem Programm war an dem Abend in Bezug auf Kleinkunst nichts los in Gießen. Daher war ich auch ganz froh, es war ausverkauft. Na ja gut, Im Rang war noch was frei. Also gut, komplett frei. Dafür war Parkett voll. Okay, mit Rang meine ich die hinteren Reihen, aber dafür waren die vorderen reihen besetzt. Okay, kurz und gut, es waren insgesamt nur 15 Zuschauer da. Aber die hatten ihren Spaß. Hoffentlich.
Seltsamerweise war nämlich nach meiner letzten Nummer der Applaus sehr verhalten, also bin ich von der Bühne gegangen. Die Zuschauer allerdings sind nicht aufgestanden und nach Hause gegangen, sondern blieben sitzen. Die weigerten sich zu gehen. Sie bestanden auf einer Zugabe.
Also bin ich auf die Bühne und hab gefragt: „Das verstehe ich nicht, ihr habt nicht geklatscht, aber wollt eine Zugabe? Meint ihr, ihr habt ein Recht auf eine Zugabe, weil ihr ja bezahlt habt? Aber wenn es Euch nicht gefallen hat, warum wollt ihr dann mehr?“ – Das Publikum sagte, dass es ihnen sehr wohl gefallen hätte und sie unbedingt eine Zugabe wollen und die würden sie jetzt ja auch kriegen, warum unnötig Energie investieren und die Hände aneinande hauen? So seien sie eben in Gießen.
Okay, also spielte ich meine Zugabe. Viele Lacher, doch danach wieder: verhaltener Applaus. Na gut, das war’s dann, dachte ich. Doch wieder weigerte sich das Publikum zu gehen. So langsam kam ich mir vor, wie bei der versteckten Kamera, aber ich musste tatsächlich noch eine zweite Zugabe spielen. „Draussen ist kalt, wir wollen nicht weg.“ sagten die Leute.
Na denn, also verbrachte ich die Nacht danach im Hotel, bzw. in etwas, was die Gießener für ein Hotel halten und machte mich am nächsten Tag auf nach Landau in der Pfalz. Umstieg in Karlsruhe.
Der IC hatte in Karlsruhe Endstation und ich musste zum Regionalexpress nach Landau. Also nahm ich meinen Rucksack mit und wanderte zum Gleis.
Am Gleis merkte ich dann, dass ich meinen Rucksack mitgenommen hatte, bzw. dass ich meine Reisetasche nicht mitgenommen hatte und die noch im IC war. „Endstation Karlsruhe“ dachte ich, vielleicht ist der Zug noch am Gleis und rannte los.
Ich rannte wie Ben Johnson, kam schnaufend am Gleis an und sah noch, wie der Zug wegfuhr. Mist. Gegenüber am Gleis sah ich eine Zugbegleiterin, die gerade in den anderen Zug stieg. Ich sagte „Entschuldigung…“ und sie wendete sich von mir ab und stieg ein. Also sagte ich noch mal „äh, Entschuldigung?“ und sie fuhr herum und keifte mich an: „Ja, stellen sie ihre Frage!“ und schaute mich an.
Dann hab ich gesagt „Ach, lecken Sie mich am Arsch“ und bin weggerannt. Weil ich dachte, die hilft mir eh nicht. Die hätte, wenn ich ihr gesagt hätte, dass meine Tasche im ZUg ist, der da gerade wegfährt nur „Pech!“ gesagt, oder „gehen sie zum Infopunkt“, also bin ich schnell zum Infopunkt gerannt, um zu schauen, ob noch was zu retten ist. Immerhin war Karlsruhe ja Endstation.
Und ob das was gefruchtet hat, erfahrt ihr in Teil 2 der Story…
Mir wär letzten Sommer _fast_ das Gleiche passiert.
Zu viert auf dem Weg nach Dänemark. Beim Umstieg am Hamburger Hauptbahnhof habe ich meine Gitarre im ICE liegen lassen. MEINE GITARRE! Als ich es bemerkte und gegen den Strom der abströmenden Reisenden zum Zug zurückrannte, schlossen sich gerade die Türen und das Abfahrsignal wurde gegeben. Ich konnte die Gitarre durch das Fenster im Abteil liegen sehen. Reisende waren nicht mehr im Zug (Endstation Hamburg). Mit Adrenalin bis unter das Schädeldach bin ich nach vorne zur Lok gelaufen und habe durch Faustschläge gegen die Fensterscheibe (die sich erstaunlicherweise in 2m Höhe über dem Bahnsteig befindet) versucht, auf mich aufmerksam zu machen. Wunderbarerweise erschien kurz darauf das Gesicht des Lokführers an der Scheibe. Wahrscheinlich sah ich ziemlich gestresst aus, verstehen konnte er mich wegen des Lärms (Triebwagen kurz vor Abfahrt) nicht, ich ihn auch nicht, aber er zeigte dann nach hinten, zur Tür der Lok. Die er kurze Zeit später von innen öffnete, so dass ich ihm meine mißliche Lage erklären konnte. Nach kurzer Gegenwehr (zum Infopunkt gehen) gab er mir auf typisch grimmig-lokführerhafte Art zu verstehen, dass ich nochmal rein könnte. Ich also nach hinten gestürmt. Nach hinten zu den Passagieren hat so eine ICE-Lok aber keine direkte Verbindung. „Sie müssen erst aussteigen!“ Ahja. Keine zwei Minuten später stand ich dann schwer atmend, die Gitarre unterm Arm auf dem Bahnsteig. Danke, unbekannter Lokführer!
Da hast Du aber echt Glück gehabt! 🙂