Deutschland schläft mit meinem Liebling

Jedes Jahr nach den Sommerferien wird mit nahezu unglaublichem Werbe-Aufwand an jeder Ecke versucht, den Schülern, bzw. deren Eltern, das Geld aus der Tasche zu ziehen. Schließlich müssen sie Buntstifte, kariertes Papier und Schultüten kaufen, da kann man bestimmt noch ein paar Euros extra einheimsen.

Bei der Discounter-Kette PLUS gab es mal eine ganz Reihe von Angebotsplakaten, die in knalligen Farben und mit Sprüchen wie „Der coolste Look, seit es Schule gibt!“ und „Kaufe, staune, gute Laune!“ Sachen anboten, die man nicht unbedingt wirklich brauchte. Das Motto war abwechselnd mal „irre billig!“, mal „wahnsinnig billig!“. So gab es zum Beispiel zum wahnsinnig günstigen Preis von € 12,99 völlig irre Bettdecken mit Fotodruck von Hunden, Katzen und verrückten Trippeltrappeltrippeltrappel-Ponys.

Die Überschrift des Ganzen toppt hingegen Alles. Wer auch immer sich das ausgedacht hat, gehört bestraft: Über dem ohnehin schon schlimmen Untertitel „die liebevollste Bettwäsche – wahnsinnig billig!“ stand nämlich in Großbuchstaben: „DEUTSCHLAND SCHLÄFT MIT IHREM LIEBLING!“

Das ist eine Warnung, oder? Was soll das denn heißen? Da gibt es doch nur zwei Möglichkeiten: Entweder ist Deutschland weiblich und schläft mit ihrem eigenen Mann oder Haustier. Oder Deutschland schläft mit meinem Liebling. Das finde ich allerdings auch nicht in Ordnung. Meine Süße hat mir auch gar nichts davon gesagt, dass sie mit ca. 80 Millionen Menschen fremdgeht.

Einer aktuellen Meinungsforschungsumfrage mit 1000 männlichen Teilnehmern zufolge gehen deutschlandweit allerdings insgesamt nur 3 Männer fremd. Ich weiß jetzt aber nicht, ob das Ergebnis verfälscht ist, denn die Umfrage war nicht anonym. Der Test fand außerdem heraus, dass Männer nie lügen, außer wenn sie lügen. Und dass Männer mit unterdurchschnittlichem IQ versuchen, ihren zu klein geratenen Penis durch Ziehen zu verlängern. Die taugt also nichts, die Umfrage. Eine ähnliche Umfrage, die vor nicht langer Zeit durch alle Medien geisterte, kam zu einem anderen Ergebnis. Die Hamburger Morgenpost berichtete: „Jede 2. Frau geht fremd!“

Oh Schreck. Verdammte Frauen. Das klingt ja schon mal übel, wenn man bedenkt, dass manche Frauen ja gar keinen Partner haben, den sie betrügen könnten. Und laut der Umfrage würden sogar mehr Frauen fremd gehen als Männer. Ich wusste es, die Frauen sind das böse Geschlecht! Wie viele Männer fremdgehen stand dann auch im Artikel: 49 %.

Moment, Moment, halt, stopp. Also ich weiß, Schule ist bei mir lange her, aber bedeutet nicht 49%, dass fast jeder zweite Mann fremd geht? Wo ist denn da der Unterschied zu Frauen jetzt? Gut, bei Frauen seien es sogar 55%, aber wie soll das überhaupt gehen? Normalerweise geht eine Frau doch mit einem anderen Mann fremd. Heißt das nicht, dass genau so viele Männer wie Frauen fremd gehen?

Im Artikel selbst steht dann noch, dass weniger Männer fremd gehen würden, diese allerdings öfters. Dumm, dass auf der Titelseite allerdings noch steht, dass Frauen häufiger fremd gehen würden als Männer.

Wieso wird sich also explizit auf Frauen bezogen? Macht das eine bessere Schlagzeile? Und warum überhaupt gehen so viele Männer und Frauen fremd? Haben die Menschen keinen Anstand mehr? Schade.

Man muss den Umfrageergebnissen natürlich nicht trauen. Wäre nämlich auch besser, denn die ganzen Zeitungen, die über die Studie berichtet haben, haben sie schlichtweg nicht verstanden: In Wirklichkeit nahmen an der Studie nämlich nur untreue Männer und Frauen teil: 55% der Teilnehmer waren Frauen und 45% waren Männer. Also war ungefähr jede zweite Fremdgeherin der Studie eine Frau. Im Umkehrschluss zu denken, jede Zweite Frau sei eine Fremdgängerin, das bekommt nur jede zweite Tageszeitung hin. Wäre ja auch nicht so die Wahnsinns-Schlagzeile fürs Titelblatt: „Jede 2. Umfrageteilnehmerin ist eine Frau!“

Es ist natürlich immer schwierig, durch Umfragen allgemeingültige Aussagen zu treffen. Dafür muss die Zahl der Befragten möglichst groß sein, oder die Befragten müssen möglichst durchschnittlich sein.

Zum Glück gibt es in Deutschland ein Dorf, das den Aufwand verringert, denn dort leben die durchschnittlichsten Menschen der Republik. Der Ort liegt in der Pfalz und heißt ungünstigerweise auch noch Haßloch, wie eine Grube voller Hass, was allerdings durchaus eine adäquate Beschreibung Deutschlands sein könnte. Haßloch bezeichnet sich stolz als das größte Dorf Deutschlands. Niemand, der klare Gedanken fassen kann, würde auf die Idee kommen, auf so etwas stolz zu sein. Es sei denn natürlich, man kommt aus dem Dorf. Haßloch hätte aufgrund der gestiegenen Einwohnerzahlen schon längst Stadtrechte haben können, aber nein, sie wollen lieber das größte Dorf Deutschlands sein. Und das ist noch nicht alles, Haßloch ist auch das durchschnittlichste Dorf Deutschlands. Wer hätte gedacht, dass Durchschnittlichkeit erstrebenswert ist? Meinungsumfragen, Testeinkäufe, Statistiker – das findet man dort zuhauf, denn Haßloch ist Testmarkt für neue Markenartikel und Produkte: Die Gesellschaft für Konsumforschung testet in Haßloch eine Menge, denn Haßloch ist in der Tat Heimat der deutschen Durchschnittsbürgers. Wie schlimm deutscher Durchschnitt ist, sieht man, wenn man mal durch Haßloch geht: Gartenzwerge im Vorgarten, Langeweile und Spießer.

Interessant wäre jetzt aber mal herauszufinden, wie viele Haßlocher Frauen fremd gehen?

Ich male mir aus, wie eine dieser überaus populären, pseudowissenschaftlichen Schleichwerbung-schleudernden Wissens-Sendungen im Privatfernsehen sich aufmachten, genau dies herauszufinden. Oder wie RTL extra seine Reporter losschickt, weil sie seit 25 Jahren immer noch nicht wissen, wie sie ihr Vorabendprogramm füllen. Ich möchte tatsächlich sehen, wie Wigald Boning von Tür zu Tür geht und den Leuten das Mikrofon unter die Nase hält und direkt fragt: „Gehen Sie fremd?“

Erinnert mich an die Glanzzeit von Ilona Christen, als sie durch die Vorgärten schritt und „Ist ihre Wäsche wirklich weiß?“ fragte. Wigald Boning soll einfach „Ist ihre Weste wirklich weiß?“ fragen. Die Klamotten von Frau Christen hat er ja schon.

Ich bin mir sicher, viele Redaktionsleiter bei den Privaten finden die Idee gar nicht so absurd und ich bin mir sicher, es dauert nicht lange, bis wir sie im TV umgesetzt sehen werden. Nach dem Beitrag läuft dann Werbung. Und zwar vom Discounter Plus: „Deutschland schläft mit ihrem Liebling! Wahnsinnig billig!“

2 Kommentare

  1. Carmen

    *lol*am besten gefällt mir die Stelle: „durch ziehen zu verlängern“ 😉 Worauf Männer so alles kommen…

  2. Linda-Tabea Vehlen

    …sehr amüsant geschrieben, mal nicht so trocken, gefällt mir. Wir schreiben zwar in unserem Blog des Treuetestportals für Frauen über die männliche Untreue, aber natürlich gehen auch eine Menge Frauen fremd.

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